Die harmonische Musik, in der mehrere Stimmen gleichzeitig erklingen, die uns heute so vertraut und alltäglich ist, es gab sie nicht immer. Die Antike brachte unglaubliche Meisterwerke in der Architektur, der Bildhauerei, Malerei, Literatur und Theater hervor. Aber in der Musik hat sie uns nichts dergleichen überliefert. Es ist ein Phänomen und grenzt fast an ein Wunder, dass sich die Polyphonie in Europa ausgerechnet in einem der dunkelsten Zeitabschnitte der Geschichte entwickelt hat, dem frühen Mittelalter. Ökonomisch und kulturell war die Gegend nördlich und westlich der Alpen ein abgelegenes und beinah vergessenes Fleckchen in der Welt. Die Leistungszentren lagen damals am Mittelmeer, im Orient, in Indien und China. Die Melodien und Gesänge, die in den damaligen Hochkulturen als modern galten, mit der die Menschen Feste ausschmückten und ihre Zeremonien feierlich untermalten, gerieten in Vergessenheit.
Mehrstimmige Musik, die nach den Konzepten der Harmonielehre komponiert wird, mit Intervallen, die in Oktaven unterteilt sind, ist in unseren Tagen Standard. Die Nationalhymnen, egal welchen Staates dieser Erde, gehören dazu. Junge Menschen aus allen Erdteilen lassen sich an Instrumenten und Techniken ausbilden, die zum Beispiel in Symphonieorchestern für den guten Ton sorgen.
Aber Asien, Amerika oder Afrika, wo bleibt deren Einfluss auf die aktuelle Musikszene? Nun zumindest afrikanische Kulturleistungen bestimmen unseren Hörgeschmack stärker, als uns vielleicht immer bewusst ist. Allerdings haben sie den Umweg über Amerika genommen. Die Menschen nämlich, die zur Sklavenarbeit in die neue Welt verschleppt wurden, brachten ihre Tanz- und Liedkunst mit und entwickelten sie sogar weiter. Aus ihrem Blues, aus ihren Liedern, die sie beim Schuften in den Plantagen sangen und den Rhythmen mit der sie Spiritualität auslebten, bildeten die Wurzeln, aus denen sich Anfang des vergangenen Jahrhunderts der neue Musikstil Jazz herausbildete. Wiederum seine Kinder und Enkel wie Dixieland, Swing, Rock und Pop hören wir heute täglich aus allen möglichen Lautsprechern und Kopfhörern.
Doch was hat es mit Jazz, den man getrost als amerikanisches besser noch afrikanisches Pendant zur klassischen europäischen Musik verstehen kann, auf sich? Worin unterscheidet er sich? Was sind seine Besonderheiten? Diesen Fragen spüren wir bald in dieser Rubrik nach.
In eigener Sache:
Unser diesjähriges Herbstkonzert findet am 24. November statt, nicht wie im Bittenfelder Jahresveranstaltungskalender geschrieben am 17. November. Das ist der Volktrauertag. An jenem Sonntag werden wir unser musikalisches Wirken ganz der Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft widmen.