Der November 2020 zeigt ganz andere Grauschattierung als in den vergangenen Jahren. Vielleicht liegt das an fehlenden Farbtupfern, mit denen sich die Menschen sonst in diesem Monat beschenken und erfreuen. Keine Kirbe versammelte heuer die Bittenfelder auf der Schillerstraße, die sonst um diese Zeit fröhlich dem Herbst und seinem miesen Wetter trotzen. Und auf das Konzert im späten Herbst wird unser Verein in diesem Jahr ebenfalls verzichten.
Doch auch wenn gemeinsame Musikstunden nicht stattfinden, bleibt uns das eigene Musizieren in dem dann nicht mehr stillen Kämmerlein. Dass Musikmachen in schwierigen Zeiten hilft, davon könnte uns Friedrich Hölderlin ein Lied singen. In seiner grauen Zeit im Turmzimmer in Tübingen schaffte er sich Linderung durch ausgedehntes Klavierspiel. Einer seiner Biografen Christoph Theodor Schwab berichtete, dass Hölderlin stundenlang über Themen wie Paisiellos „Mich fliehen alle Freuden“ aus „Die schöne Müllerin“ improvisierte. Musisch wie der Dichter war, schuf Hölderlin nicht nur eine ganz eigene Poesie sondern war ebenso musikalisch begabt. In seiner Jugend hatte er Flöte gelernt und später sogar bei Friedrich Ludwig Dulon studiert, der seinerzeit einer der angesagten Musikstars war und zu den berühmtesten Flötenvirtuosen des ausgehenden 18. Jahrhunderts gehörte. Es gibt sogar eine Kadenz zu einem Flötenkonzert von Dulon, die von Hölderlin komponiert ist.
Heute sei hier an diesen besonderen Schwaben erinnert, weil wir genauso wie für Hegel und Beethoven in diesem Jahr das Jubiläum des 250-ten Geburtstags feiern dürfen. Bei dieser Gelegenheit möchten wir erwähnen, dass sich gerade im 20. Jahrhundert viele Komponisten von Hölderlin durch den aufbrausenden und pathetischen Charakter seiner Dichtung inspirieren ließen. Man kann sogar sagen, dass die „Hymnen“ und „Gesänge“, die Hölderlin schrieb, zugleich literarische und musikalische Gattungen darstellen. Wikipedia – die Universalenzyklopädie unserer Tage – zählt nicht weniger als 61 Vertonungen seiner Werke auf. Lassen wir zum Schluss den Meister selbst schwelgen:
Die Zweig und Äste durch mit frohem Rauschen,
aus „Der Herbst“ vom 15.November 1759
Wenn schon mit Leere sich die Felder dann vertauschen,
Der ganze Sinn des hellen Bildes lebet
Als wie ein Bild, das goldne Pracht umschwebet.